Eine Vision, mehrere Wege für die Umsetzung
Christoph Dürst und Tino Camozzi sind ein Paar. Ein Standortleitungspaar der Caprez Ingenieure AG. Seit 20 Jahren sind sie als Tandem unterwegs. In rund fünf Jahren will sich Christoph Dürst als Inhaber und als Verwaltungsrat zurückziehen. Dann übernimmt Tino Camozzi die Anteile und somit das Ruder der Zweigniederlassung in Davos. Nicht einfach, oder?
Im Gespräch mit Christoph Dürst und Tino Camozzi wird schnell klar: Die beiden harmonieren. Und sie nehmen sich Zeit für die Nachfolgeregelung: «Ich glaube, Tino weiss genau, auf was er sich einlässt», stellt Christoph Dürst klar. Aber – bevor wir in Details eintauchen, zuerst ein Rückblick: 1988 wurde die Zweigniederlassung in Davos als eigenständige Firma Caprez und Henauer AG gegründet. Christoph Dürst trat 2005 die Standortführung an und wünschte, dass diese Firma Teil der Caprez Ingenieure AG wird. Die Übernahme erfolgte zwei Jahre später und so wurde er 2009 Mitinhaber und gleichzeitig Verwaltungsratsmitglied der Caprez Ingenieure AG. «Zu Beginn bestand unser Team aus vier Personen – Tino, ich und zwei Lernende. Heute sind wir rund 20 Mitarbeitende.» Tino Camozzi stand kurz vor seinem Studium als Bauingenieur an der Fachhochschule Graubünden (damals HTW) in Chur. Berufsbegleitend sammelte der designierte Nachfolger von Christoph Dürst wertvolle Erfahrungen.
«Die Idee der Nachfolgeregelung zwischen uns beiden entstand bereits vor fast 10 Jahren. Als ich Mitinhaber wurde, schloss Tino gerade sein Studium ab», blickt Christoph Dürst zurück. Auch Tino erinnert sich: «Christoph brachte mir immer viel Vertrauen entgegen. Wir wuchsen kontinuierlich. Speicherseen, Beschneiungsanlagen und Aufträge der Gemeinde Davos füllten den Arbeitsalltag. Über all die Jahre sind sie geblieben – und weitere Kunden dazu gekommen.» Rund zehn Prozent des heutigen Umsatzes hätten sie damals gemacht, berichtet Christoph Dürst weiter. Auch Tino Camozzi lächelt beim Gedanken an die damalige Zeit: «Wir waren so klein, dass man uns gar nicht wahrnahm.»
Naturgefahren, Geotechnik und Wasserwirtschaft
2017 gelang der Sprung in den Naturgefahrenbereich: «Wir stellten gleich drei Personen auf einmal an, um unser Angebot im Bereich Naturgefahren und Geotechnik zu erweitern. Zwei Jahre später konzentrierten wir uns auf die Wasserwirtschaft und riefen das Kompetenzzentrum ARA ins Leben. Gemeinsam mit Marco Müller als Inhaber der Caprez Ingenieure im Unterengadin entstand die Idee, standortübergreifend zusammenzuarbeiten. Das untermauert unseren visionären Ansatz sehr gut.» So wie auch die frühzeitige Nachfolgeregelung: «Ich habe grossen Respekt vor Tino. Unsere Wertvorstellungen sind sehr ähnlich. Das hilft uns – auch wenn wir ganz unterschiedliche Typen sind.» Er freue sich, sein Pensum zu halbieren. Am liebsten würde er sich einfach als Rosinenpicker für verschiedene Projektarbeiten zur Verfügung stellen: «Gerne stehe ich Tino zur Seite. Aber die Themen rund um das Kompetenzzentrum ARA sind meine liebsten.» Dazu Tino Camozzi: «Für mich ist die Übernahme ein rollender Prozess. Wir sind schon seit Jahren dran und in fünf Jahren wird nichts Bahnbrechendes passieren. Das Team in Davos wird einfach weiterarbeiten und weiterhin auf die gleichen Werte setzen. Christoph hat meine persönliche Meinung immer abgeholt. Ich bin zufrieden, wenn ich das heutige Niveau einfach halten kann. Wachstum ist vorerst kein Thema für mich.»
Der Austausch mit den beiden Köpfen der Zweigniederlassung Davos ist so harmonisch, dass es schon beinahe langweilig wirkt. Aber nur beinahe, denn bei näherer Betrachtung ist die Harmonie beneidenswert. Wie kommt es dazu? Christoph Dürst lacht: «Ich persönlich lege Wert auf eine offene und transparente Kommunikation. Wir pflegen flache Hierarchien.» Tino Camozzi ergänzt: «Genau! Alle sollen Verantwortung übernehmen können. Unsere Fehlerkultur kostet, aber sie macht uns gemeinsam stärker. Wir haben keine Patronphilosophie. Wir legen Wert auf unsere lernende Kultur.» Deshalb gelingt die Nachfolgeregelung gut. Aber nicht nur deshalb: «Im Vergleich zu den anderen Standortleiterpaaren, die ebenso das Ziel einer geordneten Nachfolgeregelung verfolgen, ist unsere Ausgangslage nicht ganz so komplex. Wir haben einen Standort, einen Inhaber, einen Nachfolger. Teilweise sind es mehrere Standorte, mehrere Inhaber, nur ein Nachfolger – dann wird es komplizierter», erklärt Christoph Dürst. Im Grossen und Ganzen seien aber alle Tandempaare guten Mutes und in Begleitung von Verwaltungsratspräsident Jon Erni gut unterwegs. Im Zentrum stehe die eine Vision der Caprez Ingenieure AG, die jedoch unterschiedlich interpretiert und umgesetzt werden könne. Christoph Dürst: «Jedes Standortleiterpaar tickt anders. Das macht unsere Vielfalt aus.»
Und jetzt?
«Ich würde alles wieder so machen», erklären Christoph Dürst und Tino Camozzi unisono. Sie wirken aufgeklärt und sicher. «In fünf Jahren werde ich bestimmt emotional. Einige meiner Babys sind dann nicht mehr meine. Aber ich freue mich auch, den Ballast von heute loszuwerden.» Die Kundenzufriedenheit müsse stimmen, Partnerschaften müssen funktionieren, alle Mitarbeitenden sollten zufrieden sein – das sei nicht immer einfach. «Ich freue mich, wenn ich gewisse Projekte leiten kann und dabei aber ganz viel Zeit mit meiner Familie, beim Bergsteigen oder in meinem Maiensäss im Engadin verbringen kann», erklärt Christoph Dürst. Und was bleibt als Expertentipp für den Nachfolger? Christoph Dürst lacht: «Transparenz und Gerechtigkeit – zu allem!»